Islamisches Totengebet (Salat al‑Janazah) – Ablauf, Bedeutung und praktische Hinweise
Kurz, würdevoll, gemeinschaftlich: Das Totengebet ist ein zentrales Ritual im Islam. Dieser Artikel erklärt Bedeutung, Ablauf, häufige Fragen und praktische Hinweise — verständlich und praxisnah.
Was ist das Totengebet?
Das rituelle Gebet für Verstorbene, oft Salat al‑Janazah genannt, ist im Islam ein Gemeinschaftsgebet, das vor der Beerdigung verrichtet wird. Ziel ist es, für Vergebung und Barmherzigkeit für den Verstorbenen zu bitten und der Trauergemeinde einen würdevollen Abschied zu ermöglichen. Es unterscheidet sich vom regulären fünfmaligen Tagesgebet: Es gibt keine Verbeugungen (Rukūʿ) oder Niedrigmachungen (Sujud), sondern mehrere Takbīrs (Ruf „Allāhu akbar“).
Religiöse Bedeutung und Rechtsstellung
Das Gebet gilt als fard kifāya — eine gemeinschaftliche Pflicht: Wenn eine ausreichende Anzahl von Muslimen das Totengebet verrichtet, entfällt die Verpflichtung für die übrigen. Wird das Gebet jedoch von niemandem übernommen, trifft die Sünde die ganze Gemeinschaft. Gleichzeitig ist das Totengebet ein Akt der Barmherzigkeit und Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens.
Ablauf in der Praxis — Schritt für Schritt
Der genaue Ablauf kann nach Rechtsschule und lokaler Tradition leicht variieren. Die folgende Darstellung beschreibt die in Deutschland häufig praktizierte, allgemein anerkannte Abfolge:
- Versammlung: Die Gemeinde bildet Reihen vor dem Sarg oder dem Leichentuch; Männer in der Regel voran, Frauen getrennt oder hintereinander, je nach örtlicher Praxis.
- Stehen: Das Gebet wird meist im Stehen verrichtet; Sitzende können teilnehmen, wenn Stehen nicht möglich ist.
- Erste Takbīr: Der Imam ruft „Allāhu akbar“ — die Gemeinde wiederholt. Es folgt stilles Bittgebet (oft Al‑Fātiḥa oder stille Widmung).
- Zweite Takbīr: Nach dem Takbīr wird Segenswunsch für den Propheten gesprochen: „Allāhumma ṣalli ʿalā Muḥammad“ (manchmal in erweiterter Form).
- Dritte Takbīr: Gemeinsame Bittgebete für den Verstorbenen: Bitte um Vergebung, Barmherzigkeit und Aufnahme ins Paradies.
- Vierte Takbīr: Abschlussgebet; oft folgen ein kurzes stilles Bittgebet und der Salam („As‑salam ʿalaykum“), womit das Gebet beendet wird.
In vielen Gemeinden sind es vier Takbīrs; es gibt jedoch regionale Unterschiede in Texten und Ergänzungen.
Wer darf teilnehmen und wer leitet?
Jeder Muslim kann an dem Gebet teilnehmen; Frauen dürfen ebenfalls teilnehmen und werden in vielen Gemeinden aktiv einbezogen. Das Gebet wird normalerweise von einem Imam oder einer sachkundigen Person geleitet, die das Format kennt. Wichtig ist, respektvoll zu folgen und Anweisungen des Leiters zu beachten.
Voraussetzungen für das Totengebet
- Der Verstorbene sollte muslimischen Glaubens sein (unter bestimmten Umständen können auch Nicht‑Muslime auf Wunsch islamischer Angehöriger berücksichtigt werden, dies ist aber keine allgemeine Praxis).
- Leichnam sollte gewaschen (Ghusl) und in ein Tuch gewickelt (Kafān) worden sein, bevor das Gebet stattfindet, sofern dies möglich ist.
- Es gibt keine Verpflichtung zur Teilnahme für jeden Einzelnen; dennoch ist Präsenz eine bedeutende soziale und religiöse Unterstützung für die Hinterbliebenen.
Texte und Bittgebete (Beispiel)
Ein schlichtes, häufig verwendetes Gebet lautet:
„Allāhumma ighfir li‑[Name] wa arḥamhu/ arḥamha, wa ʿāfihi/ ʿāfihā, waʿfu ʿanhu/ ʿanha.“
Übersetzung: „O Allah, vergib [Name] und erbarme Dich seiner/ihrer, schenke ihm/ihr Wohlergehen und nimm ihm/ihr die Sünden.“
Viele Gemeinden verwenden zudem traditionelle Formeln zum Segen des Propheten sowie längere Duʿāʾs; die exakte Wortwahl kann variieren.
Unterschiede zwischen Rechtsschulen und Traditionen
Die Anzahl und Verteilung der Takbīrs sowie Details der Gebetstexte können je nach madhhab (Rechtsschule) leicht unterschiedlich sein. Diese Variationen betreffen meist Reihenfolge, zusätzliche Bittgebete oder regionale Formulierungen; der Grundsatz — Bittgebet für den Verstorbenen — bleibt jedoch gleich.
Praktische Hinweise für Angehörige
- Informieren Sie Moscheen oder Bestattungsdienste frühzeitig — dort kennt man Abläufe und Termine.
- Respektvolle Kleidung, Ruhe und Pünktlichkeit sind wichtig; Handys stumm schalten, Fotografien vermeiden.
- Wenn Sie unsicher sind, folgen Sie der Leitung des Imams oder den erfahrenen Gemeindemitgliedern.
- In Deutschland bieten viele spezialisierte Bestattungsunternehmen Unterstützung bei Ghusl, Kafan und Organisation an — z. B. detaillierte Infos finden Sie bei regionalen Anbietern.
Häufige Fragen
Muss das Totengebet im Freien oder in der Moschee stattfinden? Es kann in der Moschee, im Beerdigungshaus, im Friedhofsgebäude oder am Grab verrichtet werden — entscheidend ist der Respekt und die Gemeinschaft.
Ist das Totengebet für alle Verstorbene gleich? Die üblichen Regeln gelten für verstorbene Muslime. In bestimmten Fällen beraten Familien und Imame vor Ort über Vorgehen und lokale Gepflogenheiten.
Weiterführende Links und Quellen
Für praktische Abläufe und regionale Hinweise können folgende Seiten hilfreich sein:
- Islamische Bestattungen München – Totengebet
- UKBA – Grundwissen islamische Bestattung
- Praktische Anleitung zum Totengebet
Schlusswort
Das gemeinsame Gebet für Verstorbene verbindet religiösen Anspruch mit menschlicher Anteilnahme. Wer die Grundlagen kennt — Bedeutung, Ablauf und Etikette — kann Angehörige sinnvoll unterstützen und an einem würdevollen Abschied teilhaben. Bei spezifischen Fragen zur Ausführung oder rechtlichen Details vor Ort ist die Beratung durch örtliche Imame oder spezialisierte Bestattungsdienste empfehlenswert.