Wenn Verstorbene wieder Raum bekommen: Familienaufstellung und Verstorbene klären
Die Einbeziehung von Verstorbenen in Familienaufstellungen berührt tiefe seelische Themen: Abschied, offene Bindungen und systemische Dynamiken. In diesem Artikel erkläre ich, wie eine Familienaufstellung mit verstorbenen Angehörigen arbeitet, wann sie hilfreich sein kann und worauf Sie achten sollten.
Was bedeutet „Familienaufstellung“ mit verstorbenen Personen?
Familienaufstellungen (auch Systemische Aufstellungen oder Familienstellen) sind eine Methode, mit der innere Bilder und verborgene Beziehungsdynamiken sichtbar gemacht werden. Bei der Einbeziehung von Verstorbenen geht es nicht darum, übernatürliche Phänomene zu erzeugen, sondern um die symbolische Repräsentation einer verstorbenen Person im Feld der Familie. Dadurch werden innere Bindungen, unvollendete Trauer oder übernommene Schuldgefühle sichtbar und oft neu eingeordnet.
Wie werden Verstorbene in Aufstellungen dargestellt?
Es gibt mehrere gängige Wege, Verstorbene in einer Familienaufstellung zu integrieren:
- Stellvertreter/innen: Eine lebende Person übernimmt die Position des Verstorbenen und drückt durch Körperhaltung, Gefühle oder Aussagen dessen angenommene Präsenz aus.
- Leere Stühle / Symbole: Ein Platz, ein Objekt oder eine Kerze symbolisiert das Fehlen der Person.
- Inneres Bild: Die aufstellende Person beschreibt ihre inneren Bilder und Erinnerungen; der*die Therapeut*in arbeitet damit im Raum, ohne eine direkte Besetzung.
- Rituelle Elemente: Manchmal werden Trauerrituale, Abschiedsworte oder kleine Zeremonien in die Aufstellung eingebunden, um den Abschied zu unterstützen.
Warum werden Verstorbene einbezogen?
Die Integration verstorbener Familienmitglieder dient mehreren Zielen:
- Abschluss finden: Nicht abgeschlossene Beziehungen oder ungeklärte Schuldgefühle können weiter wirken. Die Aufstellung schafft einen Raum, um innerlich Abschied zu nehmen.
- Systemische Ordnung herstellen: Oft haben früh Verstorbene (z. B. Totgeburten oder verlorene Kinder) einen stillen Einfluss auf Entscheidungen und Beziehungen. Ihre Sichtbarmachung ordnet das Familiensystem neu.
- Trauerprozesse unterstützen: In der Trauerbegleitung kann die Aufstellungsarbeit ergänzend helfen, Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten.
Wann kann eine Familienaufstellung mit verstorbenen Personen hilfreich sein?
Typische Anlässe sind:
- anhaltende Trauer oder wiederkehrende Schuldgefühle nach einem Verlust,
- Unerklärliche familiäre Muster (z. B. wiederkehrende Scheidungen, gesundheitliche Probleme),
- gehinderte Lebensbewegungen, z. B. Kinderwunschprobleme in Verbindung mit verlorenen Kindern,
- der Wunsch, unerledigte Beziehungen zu klären, ohne primär psychotherapeutische Sitzungen zu führen.
Für weiterführende Hintergrundinformationen zur Methode siehe z. B. eine Übersicht auf therapie.de oder Erfahrungsberichte wie auf systemstellen.org.
Welche Grenzen und Risiken gibt es?
Familienaufstellungen bergen auch Risiken, insbesondere wenn sie unsachgemäß oder bei ungeeigneten Personen angewandt werden:
- Retraumatisierung: Bei schwer traumatisierten Menschen kann eine Aufstellung belastende Erinnerungen aktivieren. In solchen Fällen ist eine enge Absprache mit Psychotherapeut*innen wichtig.
- Keine Wunderheilung: Aufstellungen ersetzen keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung bei schweren psychischen Erkrankungen.
- Ethik und Einverständnis: Menschen, die als Stellvertreter*innen eingesetzt werden, sollten über die Rolle informiert sein; kulturelle und religiöse Sensibilitäten sind zu beachten.
Wie läuft eine Aufstellung mit verstorbenen Angehörigen konkret ab?
Ein typischer Ablauf:
- Vorgespräch: Anliegen klären, Einwilligungen, Kontraindikationen abfragen.
- Wahl der Repräsentant*innen oder Symbole durch die aufstellende Person.
- Aufstellung im Raum: Positionen werden eingenommen, erste Wahrnehmungen werden geäußert.
- Interventionen durch die Leitung: Sprechen, Verschieben, Sätze oder Rituale können eingeführt werden, um das Feld zu klären.
- Nachbearbeitung und Integration: Reflektion, mögliche weitere therapeutische Schritte, Stabilisierung.
Worauf achten bei der Wahl der Aufstellungsleitung?
Wählen Sie eine Fachperson, die Erfahrung mit Trauerarbeit und mit dem Thema verstorbene Angehörige hat. Fragen, die Sie stellen sollten:
- Welche Ausbildung und Erfahrung haben Sie mit Familienaufstellungen und Trauerbegleitung?
- Arbeiten Sie in Gruppen oder Einzelaufstellungen? Wie ist die Nachsorge organisiert?
- Wie gehen Sie mit belastenden Gefühlen oder Traumareaktionen während einer Aufstellung um?
Häufige Fragen (kurz beantwortet)
Kann eine Aufstellung einen Verstorbenen „zurückbringen“?
Nein. Ziel ist nicht Rückkehr, sondern Klärung innerer Bindungen und Ermöglichung von Abschied.
Wie lange hält die Wirkung an?
Das ist individuell verschieden. Manche erleben sofort Erleichterung, bei anderen braucht es Integration und weitere Arbeit.
Ist das seriös?
Familienaufstellungen haben eine breite Praxisbasis, sind aber wissenschaftlich unterschiedliche bewertet. Seriöse Anbieter arbeiten transparent, bieten Nachsorge und geben Hinweise auf Grenzen.
Weiterführende Quellen und Literatur
Vertiefende Texte und Praxisberichte finden Sie u. a. bei systemstellen.org, in Erfahrungsartikeln wie auf vchu.de oder in Informationsseiten zu Aufstellungsformen auf therapie.de. Auch Praxisseiten von Trauerbegleiter*innen bieten wertvolle Hinweise zur Integration von Verstorbenen in Aufstellungen.
Fazit
Die Arbeit mit verstorbenen Angehörigen in einer Familienaufstellung kann ein wirkungsvolles Mittel sein, um offen gebliebene Beziehungen zu klären, Trauer zu verarbeiten und systemische Ordnungen wiederherzustellen. Wichtig ist eine sorgfältige Auswahl der Leitung, klare Absprachen und die Berücksichtigung individueller Belastbarkeit. Wenn Sie mit dem Thema familienaufstellung verstorbene arbeiten wollen, suchen Sie eine erfahrene Fachperson und planen Sie Zeit für Nachsorge und Integration ein.